Erfolgreiches Konzept
Gebärden, Spaß und Gesundheit als Kommunikative Brücke
Von Manfred Eigner
Hamburg/Zislow Nicht hören, nicht verstehen, zurückziehen in die Isolation – ein Teufelskreis den es zu durchbrechen gilt. Wie das auch mit unkonventionellen Vorgehensweisen gelingt, stellt Dozent und Hörgeschädigtenpädgoge/ Mediator Lorenz Lange mit seiner Idee, „Gebärden, Spaß und Gesundheit in einem Konzept“, unter Beweis. Entschleunigung – ein Modewort und dennoch schon für die Anreise so zutreffend. Ob mit Zug und Bus oder dem eigenen Pkw, die letzten Kilometer führen über ruhige Nebenstraßen, weitläufig gesäumt von Wald und Feldern. Eine nicht asphaltierte Allee aus Eichen und Birken rahmt die abschließende Zufahrt zum Ziel, dem Landhaus „Die Arche“ an der Mecklenburgischen Seenplatte. Es passt zu dem von Natur und Weite eingebetteten Anwesen. Hier haben sich 22 Menschen eingefunden, die direkt oder indirekt z.B. durch den Partner von einer Hörschädigung betroffen sind. 22 Menschen die alle das Gleiche haben – aber nicht das Selbe! Schon die Vorstellungsrunde zu Beginn offenbart wie unterschiedlich doch die persönlichen Befindlichkeiten oder Belastungen für ein und den selben Begriff, die Hörschädigung, wahrgenommen werden. Letztendlich verfolgen dennoch alle ein gemeinsames Ziel. So haben sich diese Menschen hier eingefunden um Urlaub zu machen, sich mit gesunder Ernährung und Bewegung etwas Gutes zu tun und zeitgleich ihre Kommunikationsmöglichkeiten zu verbessern. „Lautsprachbegleitende Gebärden (LBG) können eine kommunikative Brücke zwischen Menschen bilden,“ beschreibt Dozent und Hörgeschädigten Mediator Lorenz Lange seine Idee, `Gebärden, Spaß und Gesundheit in einem gemeinsamen Konzept zu vereinen´: „ Diese Brücke zu schaffen, ist das Ziel des Seminars.“ Ein Konzept, das sichtlich aufgeht. Hörgeschädigte oder deren Partner mit der LGB vertraut zu machen ist vergleichbar mit dem Erlernen einer Fremdsprache. Dabei führt hier wie da kein Weg daran vorbei, die „Vokabeln“ zu pauken. Mit einem Unterschied: Nicht die Aussprache ist entscheidend, sondern die richtige Gebärde in einer Kombination aus Zeigen mit Fingern und Händen unter Mithilfe der Mimik und Gestik. Vergleichbar mit einer zusätzlichen Sprache, die Hörgeschädigten und Hörenden die Kommunikation untereinander erleichtert. Mit sichtbarem und mit diesem Konzept auch schnellen Erfolg. Nicht die stundenlange trockene Theorie, bei der unweigerlich, je nach Aufnahmefähigkeit des Einzelnen, Lernfreude dem Lernfrust weicht, sondern die praktische Anwendung im Tagesablauf macht einfach Lust auf mehr. Was am ersten Tag noch manchmal zögerlich mit Gebärden unterstützend gezeigt wird, weicht Zug um Zug dem völlig selbstverständlichen Gebrauch der LGB bei den Unterhaltungen. Mit viel Spaß, denn gerade Anfangs sind die Gebärden nicht immer korrekt, manchmal sogar „kreativ“. Doch es wird locker gesehen und die Korrektur ist Mittel zum Zweck. Keiner wird bloßgestellt, denn irgendwie erwischt es jeden einmal. Um Über- oder Unterforderungen zu vermeiden, haben die beiden Dozenten Lorenz Lange und Conny Pallas dazu die Teilnehmern in eine Gruppe mit keinen oder nur geringen Vorkenntnissen und in eine Fortgeschrittenengruppe aufgeteilt. Vormittags wird im Anschluss an das morgendliche Wellness-Programm des Landhotels und dem gemeinsamen Frühstück in den beiden Gruppen das einstudiert, was Nachmittags bei den gemeinsamen Aktion wie Wanderungen oder beispielsweise dem Besuch des Bärenwald Müritz in der Praxis umgesetzt wird. Dabei trägt die Tatsache Rechnung, dass Menschen mit Hörschädigungen sehr schnell zueinander finden und kommunizieren. Die Quintessenz aus der gelungenen Mischung von Unterricht auf Kenntnisebene und unterhaltsamer Freizeitgestaltung stellt sich in der Gemeinschaft der Bildungsurlauber von selbst mit dem angestrebten Ziel dar. Als wenn es nie anders gewesen wäre, benutzen Anfänger und Fortgeschrittene bei ihren Unterhaltungen Gebärden. Es ist auch nicht „der eine“ Partner bei dem man sich traut die LGB zu gebrauchen, sondern eine homogene Gruppe die munter miteinander das Gebärden nutzt und sich gegenseitig weiterhilft. Dabei wird mit ohne Scheu die eine oder andere Gebärde bei den begleitenden Dozenten bzw. anderen Teilnehmern erfragt, angewendet und als neue „Vokabel“ mitgenommen. Spätestens beim Spieleabend am dritten Tag, war auch das letzte Eis gebrochen und in der Runde die Anfänger von den Fortgeschrittenen nicht zu unterscheiden.
Der Akku ist wieder aufgeladen
Nicht das alles perfekt gebärdet wurde, viel wichtiger war das aufgegangene Konzept, in Urlaubsatmosphäre die LGB zu einem selbstverständlichen Werkzeug der Kommunikation werden zu lassen. Das bestätigten auch die Teilnehmer im Gespräch. „Ich wollte Urlaub machen und dabei unter Hörgeschädigten sein, um entspannt kommunizieren zu können und Pause machen vom Hören müssen. Das ist für mich Urlaub von meiner Hörschädigung,“ hebt die Tiermedizinerin Dr. Anne Bolte hervor: „Schön ist es, dabei andere Biographien zu erleben, um für sich positive Energie mit nach Hause zu nehmen. Der Akku ist wieder aufgeladen. Was diese Woche ausgemacht hat, war nicht nur die Kommunikation, sondern besonders das, was neben der Kommunikation läuft.“ Auch das Ehepaar Lothar und Dagmar Apitzsch aus Lüdenscheid, die zuvor gemeinsam einen Schnupperkurs in Bezug auf die LGB besucht hatten, waren von der Woche begeistert. „Wir wollten schon immer einmal in Mecklenburg-Vorpommern Urlaub machen,“ erklärt Lothar Apitzsch, der nicht hörgeschädigt ist, aber seine davon betroffene Frau entlasten möchte: „Dazu kommt, dass meine Frau auf biologische Ernährung Wert legt und mit dem Angebot haben wir alles kombinieren können.“ Dagmar Apitzsch ergänzte: „Wir haben jetzt schon vieles gelernt, um mit der LGB gemeinsam kommunizieren zu können. Wenn ich die für mich so belastenden Hörgeräte herausnehme, brauche ich viel weniger Energie bei der Kommunikation. Für mich steht fest, das ziehe ich weiter durch.“ Als sehr spannend, informativ und abwechslungsreich beschrieb auch Sigrun Sievers die erlebte Woche: „Die Kombination aus der Theorie an den Vormittagen und der praktischen Anwendung des Gelernten bei den Ausflügen am Nachmittag war für mich wertvoll. Ich habe etwas, was ich mit nach Hause nehmen kann. Nicht nur die neuen Gebärden, sondern besonders das,was ich in der Gruppe der ebenfalls Hörgeschädigten für mich persönlich erlernt habe.“
Zitat einer hörgeschädigten Person: „Ich dachte immer das Vögel gähnen“